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Vorsicht vor BU Versicherung mit vereinfachten Gesundheitsfragen
Urteil zu BU-Versicherung bei Vertrag mit einfachen Fragen
Das Oberlandesgericht Karlsruhe ((Az: 12 U 156/16) wies am 20.04.2018 die Klage eines BU-Versicherten ab, der sich gegen die Leistungsablehnung des Versicherers wehrte. Bei dem Verfahren handelte es sich um die Berufung zum Urteil des Landgerichts Heidelberg (2. Zivilkammer) vom 8. November 2016 (Az: 2 O 90/16). Diese Berufung wurde nun durch Karlsruhe zwar weiterhin als „zulässig, aber nicht begründet“ aufgefasst.
Konkret erklärte die Versicherung „die Anfechtung des Versicherungsvertrags wegen arglistiger Täuschung, den Rücktritt vom Vertrag sowie hilfsweise die Vertragskündigung.“ Mit anderen Worten, die Versicherung zahlt nicht und weil der Versicherte falsche Angaben gemacht hat, behält man die bis dahin gezahlten Beiträge ebenfalls ein.
Es gibt Kollegen, die in dem Urteil einen klaren Wink (Blog-Beitrag von Kollege Helberg) in Richtung Versicherungen sehen. Und zwar dergestalt, dass die etwas ändern müssen. Aus unserer Sicht ist das Gegenteil der Fall – schon allein weil die Klage des BU-Versicherungs-Kunden abgewiesen wurde. Der Kunde geht also leer aus obwohl er offenbar in der Annahme war, alles korrekt angegeben zu haben.
Das Irrlicht der spontanen Anzeigepflicht
Immer wieder geistert das Thema der spontanen Anzeigepflicht – demnach müssten Versicherungskunden auch Dinge angeben nach denen das Versicherungsunternehmen gar nicht gefragt hat. Das Gericht stellt in seinem Urteil, dass die Versicherten weder nach neuer Fassung (unstrittig), noch nach aller Fassung des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) einer solchen spontanen Offenbarungspflicht unterliegen. Das Gericht stellte klar:
„Den Kläger hätte aber schon nach alter Rechtslage keine Pflicht zur Anzeige seiner Erkrankung getroffen.“
Was soll dann das ganze Verwirrspiel rund um die spontane Anzeigepflicht und warum muss der Versicherer nicht zahlen obwohl der Kunde die Erkrankung nicht hatte angeben müssen?
Das Fachmagazin procontra titelt am 04.05.2018 zu dem Urteil „BU-Urteil: Spontane Anzeigepflicht – ja oder nein?“ und spielt das zweifelhafte Spiel mit obwohl man das Urteil offenbar wirklich gelesen hat. Dabei stellt das Gericht ganz ohne Spektakel fest, dass der Kunde gerade nicht etwas hätte angeben müssen wonach nie gefragt wurde. Laut Gericht wurde der Kunde im Antrag nach etwas gefragt und dieser wahrheitswidrig angegeben bzw. schlicht eine falsche Angabe gemacht. Es gibt also keinerlei Zusammenhang zur spontanen Anzeigepflicht.
Warum der Versicherer nicht zahlen muss
Konkret geht es bei der Abweisung der Berufung um diesen Satz:
„Ich bin fähig, in vollem Umfange meiner Berufstätigkeit nachzugehen.“
Der Satz steht am Ende eines relativ langen vom Versicherten zu bejahenden Erklärung, die wie folgt aussieht:
„Ich erkläre, dass bei mir bis zum heutigen Tage weder ein Tumorleiden (Krebs), eine HIV-Infektion (positiver AIDS-Test), noch eine psychische Erkrankung oder ein Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit) diagnostiziert oder behandelt wurden. Ich bin nicht pflegebedürftig. Ich bin fähig, in vollem Umfange meiner Berufstätigkeit nachzugehen.“
Nach Ansicht des Gerichts war der Versicherte zum Zeitpunkt der Antragstellung auf die Berufsunfähigkeitsversicherung eben nicht vollumfänglich arbeitsfähig – somit bleibt die Versicherung zu Recht leistungsfrei.
BU-Spezialist und Versicherungsmakler Torsten Breitag hat vor einigen Monaten ein sehr verständlich, eingehendes Schema zu den Themen „Arglist, Anfechtung, Rücktritt“ entwickelt und sehr klar dargelegt, um was es hier eigentlich geht bei den Anzeigepflichten von BU-Versicherten (Vorvertragliche Anzeigepflicht).
In der weiteren Beweisführung wurde sogar sehr detailliert dargelegt, dass der Versicherte schon bei Antragsstellung ganz erhebliche Beeinträchtigung hatte. Weder ein redlicher Fachanwalt in diesen Fragen, noch ein ärztlicher Gutachter hätte diesem Kunden je empfohlen eine solche Erklärung zu bejahen.
Hätte der Kunde die Frage auch anders verstehen können?
Ganz klar, ohne korrekte, saubere Beratung kann die Antwort auf diese Frage nur Ja heißen. Die Frage muss abseits von Juristerei, Gerichtsurteilen und Bedingungstexten einem Realitätcheck unterzogen werden. Hier kann ich aus eigener Erfahrung mitteilen, dass es eben immer auch darauf ankommt, wie und welche Fragen gestellt werden. Wenn ich einen Interessenten nur oberflächig frage, ob er den soweit gesund sei und gut seiner Arbeit nachkommt, werden wenige Menschen mitteilen, dass sie dies nicht der Fall sei.
Das heißt, lege ich dem Kunden die obige Erklärung vor, werden viele sagen „Ja, passt. Wunderbar.“ Manch ein Interessent würde noch anschließen „Ich hätte nicht gedacht, dass es doch noch passt. Die Fragen sind ja sonst viel konkreter auf beinahe alle möglichen Erkrankungen bezogen.“.
Das ist aber – wie wir hier sehen – ein schlimmer Trugschluss. Im Zweifel führt dies dazu, dass ein BU-Kunde seine Beiträge verliert, jegliche Prozesse im Nachgang und keine BU-Rente erhält.
Fragt ein Vermittler (in dem Punkt scheint es fast egal ob das ein Versicherungsvertreter, ein Versicherungsmakler oder ein Mehrfachagent ist) dann etwas intensiver nach, kann es schon mal passieren, dass der Vermittler herausfindet, dass der Interessent angibt, dass er „ja, genau deswegen“ da sei, weil es ja leicht passieren könne, dass man seiner Arbeit auch mal längerer Zeit nicht nachkommen kann.
Spätestens an der Stelle wird für den geübten Betrachter klar, mit wem man es hier wirklich zu tun hat: Mit jemanden, der den Kunden über den Tisch zieht oder mit einem ehrbaren Kaufmann/Kauffrau, der Ahnung von der Materie hat und eine genaue Folgenabschätzung betreiben kann.
Vermittler im Zwielicht?
Im Zweifel sollte also bitte die Vermittlerschaft in dieser Frage nicht außen vor lassen. Dem Anschein nach wurden BU’s mit verkürzten Gesundheitsfragen als das Mittel schlechthin zur Umsatzmaximierung gesehen haben – ohne dabei auf die sehr erheblichen Haken und Ösen der Angebote hingewiesen zu haben.
Tipp: Wenn der Versicherer im Antrag fragt, ob sie voll arbeitsfähig sind, reicht es nicht, dass Sie es als Kunde und vermeintlich auch der Vermittler so sehen.
Die offenbar vielseitig interpretationsfähige Frage nach der Fähigkeit seinen Job in vollem Umfang auszuüben, wurde durch das aktuelle Gerichtsurteil des OLG Karlsruhe vollumfänglich bestätigt – obwohl Kunden es auch anders hätten verstehen können. Beachten Sie also, dass das was ein durchschnittlich verständiger Versicherungsnehmer unter der Fähigkeit vollumfänglich zu arbeiten versteht, bei weitem nicht immer dem entspricht, was ein verständiger Fachanwalt oder ärztlicher Gutachter für eine vollumfängliche Arbeitsfähigkeit hält.
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Autor: Michael Schreiber
Berater für Ärzte
Berufung für Ärzte seit 2006, Geldanlage, BU, KV für Ärzte, Risikovoranfrage – Check, Insider-Tipps, privilegierter Zugang zu Sonderkonzepten, Berufshaftpflicht.
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