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9-EUR-Ticket? Selbst ist die Frau
Es war ein langer Tag. Viel gegeben. Viel geschafft, wenn auch nicht alles. Das übliche Spiel eben.
Jetzt reicht es. Ich merke, wie meine Reizschwelle erreicht ist.
Gearbeitet. Seminar besucht. Bib-Session. Kleine Häkchen auf meiner To-Do-Liste.
Jetzt nach Hause. Auf’s Fahrrad geschwungen. Tasche auf dem Gepäckträger. Auf den Schultern nur das Gewicht des langen Tags.
Sonnenuntergang in Freiburg. Wind in den Haaren. Ich seufze auf.
Dann ein merkwürdiges Rumpeln. Eine leichte Erschütterung. Fast unmerklich.
Dafür umso auffälliger: der Widerstand meiner Pedale, der jetzt plötzlich fehlt. Ruck. Sie geben nach. Mit einem Blick nach unten registriere ich, dass die Fahrradkette ab ist.
Entnervt hüpfe ich vom Rad, entferne die Tasche und schiebe das Rad von der Straßenkreuzung weg. Ruck. Das Fahrrad steht auf dem Kopf. Wer in dieser Stadt nicht das Fahrrad-ABC beherrscht, der macht was falsch. Doch der bekannte Handgriff will mir nicht gelingen.
,,Kann man dir helfen?”
,,Joo, brauchst du Hilfe?”
,,Heii kommst du klar?”
Ich hatte mir eigentlich vorgenommen, mich in eine derart deutliche Abwehrhaltung zu hüllen, dass ich nicht angesprochen werde.
Lass mich, ich kann das. Ein Satz, der wohl wie für mich geschaffen scheint.
Tja, Zivilcourage in Freiburg. Wenn da Jemand neben seinem dispositionierten Fahrrad steht, dann fragst du diesen Jemand, ob er Hilfe braucht. Womöglich habe ich nicht den Eindruck vermittelt, ich wüsste was ich zu tun habe. Womöglich.
Die Leute, die neben mir hielten waren jedenfalls äußerst freundlich und hilfsbereit.
Die meisten bekam ich zum Glück weitergewinkt. Aber irgendwie waren es dann doch einige, die bei mir stehen blieben. Zwei stiegen von ihrem Frelo, um nach mir zu sehen.
Also ließ ich sie herumwerkeln. Doch der bekannte Handgriff schien auch ihnen zu misslingen. ,,So nicht, min Jung’. Musst du anders anpacke’.”
Von einem Grüppchen älterer Menschen löste sich ein Herr. Er zückte ein Taschentuch und gebot dem jungen Kerl neben mir Einhalt. Dann setzte er sein Taschentuch demonstrativ am Rad an.
Der Kerl neben mir wurde etwas verlegen. Doch auch der ältere Herr wurde der Kette nicht mächtig. ,,Nanu?”, kam es von ihm. Die Verlegenheit des jungen Kerls wurde geschmälert.
Nicht jedoch die meinige.
Man darf mich nicht falsch verstehen. Ich bin stolz auf die Freiburger Mitmenschen. Es wäre vermutlich schade, wenn sich niemand nach mir erkundigt hätte. Mit Sicherheit.
Aber ich war müde. Nicht sehr empfänglich für externe Hilfe. Lass mich, ich kann….
Also schickte ich die Umstehenden weiter und krempelte meine Ärmel hoch.
Es wollte nicht gelingen. Hmm. So allmählich befürchtete ich, dass es vergeblich sein könnte.
Ich bin es gewohnt, jeden Ort in Freiburg binnen weniger Minuten erreichen zu können.
Allerdings mit dem Rad und nicht mit dem ÖPNV. Zumindest, wenn es nicht gerade Winter ist. Derzeit besitze ich nicht einmal ein Semesterticket. Ich habe dazu einfach keinen Bedarf gesehen.
Was viele nicht wissen: Ab 19 Uhr darf man den Freiburger ÖPNV als Student kostenlos nutzen, vorausgesetzt, man kann einen gültigen Studentenausweis vorweisen.
Dennoch, mein Fahrrad, das brauche ich.
,,Selbst ist die Frau.”, hatte einmal ein Arzt gesagt, nachdem ich mir bei einer Verletzung die Nähte eigenständig ziehen wollte. Ganz ernst genommen hat er mich zwar nicht, aber prinzipiell hat er Recht. Selbst ist die Frau.
Ich probierte es bei meiner Fahrradkette mit einem ungewohnten Handgriff – und werde überrascht. Ha! Kette wieder drauf. Phu.
Während ich vor meinem Rad knie, fällt mein Blick auf meine nun ölverschmierten Handflächen. Seufz. Mit einem ordentlichen Erscheinungsbild hatte das nichts mehr zu tun. Ich blickte auf und begegnete dem Blick einer jungen Dame, etwa in meinem Alter. Wir mussten beide lachen.
Fahrrad wieder umnieten. Tasche auf Gepäckträger. Wind in den Haaren.
Reicht. Jetzt aber wirklich.
Gesetzt, ich hätte mein Rad nicht gerichtet bekommen, wäre die logische Alternative im übrigen trotzdem nicht die Anschaffung eines Semestertickets gewesen. Ich besitze tatsächlich das 9-EUR-Ticket, wenn auch bisher unbenutzt.
Wir haben ein gutes Straßenbahnnetz in Freiburg. Das könnte durchaus zur Nutzung einladen, wenn man das angenehmer findet, als Rad zu fahren.
,,Voll doof, dass ich mir für 90 EUR das Semesterticket gekauft habe. Ist ja voll unnötig jetzt.”, hatte neulich eine Kommilitonin dazu gesagt.
Nicht ganz. Für Studenten, denen es gleich wie der Kommilitonin geht, gibt es die Möglichkeit das Geld für das Semesterticket- selbst noch im Juni – zurückerstattet zu bekommen, um sich dafür das 9-EUR-Ticket zu kaufen. Der Aufwand ist gering. Der Vorgang zügig. Einfach dem Link folgen und Kontonummer bzw. Ticketnummer angeben : https://www.abo-bahn.de/abo/ea/rvfea9eur.html
Und schon hat man 80 Euro eingespart.
Autorin:
Audrey
Coucou, mein Name ist Audrey und ich bin eine aufgeweckte Medizinstudentin aus Freiburg!
Derzeit befinde ich mich ich im vierten Fachsemester Humanmedizin der Albert-Ludwigs-Universität. Ich bin unternehmungslustig, neugierig und nehme mich selbst meistens nicht allzu ernst. Hier schreibe ich ehrlich und ungeschönt über das Medizinstudium, das Studentenleben und so manches anderes.
Mach dir doch einfach dein eigenes Bild. Bis dann!
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