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Nach der Klausur ist vor der Klausur III: Nachtrag
Einen Tag nach der Klausur ist das Wechselbad der Gefühle noch nicht abgeebbt. Ich erhalte eine Mail vom Dekanat. Der EKG-Physio-Schein ist nun in meiner Leistungsübersicht verbucht. O k a y.
Von einer Stipendiatin aus dem zehnten Semester erfahre ich, dass meine Sorgen bezüglich des Stipendiums nicht komplett begründet sind. Sie habe damals auch ein halbes Jahr aufgeschoben. Diese Entscheidung ist nur mit einigen Formalitäten und Regelungen verbunden. Ich freue mich schon auf die zahlreichen Telefonate, Mails, Gespräche und Unterlagen, die wohl folgen werden. Na gut. Sei es so.
Auch für die BaföG-Kandidaten ist die Förderung nicht direkt verloren. Anscheinend greifen besondere Regelungen. Insbesondere, wenn man das Stex schiebt, weil man einen Schein nachholen muss. Es lohnt sich, sich genau zu informieren. Womöglich einen Termin im SwFr auszumachen. Sie kennen sich bestens aus. Ich bin ein großer Fan von dem Team. Ich habe mich auf UniSport- Wanderungen mit Leitern unterhalten. Wenn man als Student nicht mehr weiter weiß, haben sie oftmals noch Auswege und Lösungsansätze.
Sie lassen einen nicht mit leeren Armen stehen. Irgendwas geht immer noch. Beispielsweise kann jemand, für den bisher genanntes nicht zutrifft (BaföG, Stipendium) immer noch Wohngeld beantragen oder sich von gewissen Zahlungen befreien lassen. Einfach mal informieren.
Ich muss zugeben, ich bin emotional ein wenig verwirrt. Weil alles in mir danach drängt irgendwas zu lernen. Irgendwas muss doch sicher gelernt werden. MUSS. Gleichzeitig bin ich unglaublich erleichtert, nicht in den kommenden Tagen schon das erste Fach fürs Physikum durchgelernt haben zu müssen.
Einmal genug Zeit haben. Klar ist der Druck auch da, dann ein besonders gutes Physikum abzulegen. Gleichzeitig ist es aber auch so, dass ich nicht für mein Stipendium studiere. Dass ich nicht dafür studiere, irgendjemanden außer mich selbst glücklich zu machen.
,,Weißt du,”, habe ich zu meiner Freundin gesagt. ,,Weißt du was ich gemerkt habe? Es ist mir im Grunde alles egal. Letztendlich wirklich. Hauptsache ich darf am Ende Ärztin sein. Da will ich hin. Das lass ich mir nicht nehmen. Ich entscheide, wie der Weg dahin aussieht.”
Meine Freundin hatte mir nur beipflichten können. Sie wird mit mir im Frühjahr schreiben. Wir beide wollten ursprünglich nach dem Physikum verreisen. Jetzt fragen wir uns, warum wir das nicht auch mal davor in Angriff nehmen sollten.
Es ist als könnte ich endlich wieder durchatmen. Ich kann alles aus dem bisherigen Studium in Ruhe wiederholen. Ich kann auch die Dinge wiederholen, die kein Gegenstand der Klausuren meiner Professoren waren, aber für das Physikum relevant sind.
Ich merke, wie gut mir das tut. Die letzten Jahre waren ein einziges Powerprogramm: Mit 17 Jahren in das Studium starten, jede Pause/Semesterferien mit arbeiten, lernen und Pflegepraktikum verbringen. Niemand hat mich dazu gezwungen. So ulkig das auch klingen mag, ich bin ein klassisches Arbeitsbienchen. Chronisch unterfordert, brauche ich das viel zu tun haben zu müssen. Grenzgängerin, brauche ich das auch manchmal meine Grenzen auszureizen.
Doch ich fühle mich nicht bereit für das Physikum. Ich will mich in der Klinik um eine Doktorarbeit bewerben. Ich habe gewisse Pläne und Ziele. Doch mir widerstrebt die Vorstellung den Bocksprung Physikum zu starten, ohne zuvor festen Grund unter meinen Füßen zu haben. Nicht so. Nicht mit wackeligen Beinen. Zum einen, weil ich nicht denken, dass die Leistung, die dabei herauskommen würde, gut genug wäre. Zum anderen, weil ich nicht denke, dass es mir damit gut gehen würde.
Nach der Klausur ist vor der Klausur ist nach…
,,Also ich muss sagen, vor ein paar Wochen habe ich mich da im Frühjahr noch ganz alleine sitzen sehen. Aber jetzt sehe ich, dass die Situation eine ganz andere ist.”, eine gute Freundin von mir hatte sich nicht einmal für das Physikum dieses Jahr angemeldet.
Eine weitere Freundin schiebt. Eine andere Freundin spielt schon länger mit dem Gedanken. Viel länger, viel überzeugter als ich. Nach der bestandenen Physioklausur hatte sie nicht nur Scheinfreiheit, sondern auch erstmal Corona. Das heißt für sie, weniger Tage, weniger Ressourcen für den Physikums-Endspurt. Sie ist sich nicht sicher, ob es das ist, was sie will.
,,Es ist irgendwie alles surreal. Die letzten Monate sind so schnell vergangen. Jetzt ist die Vorklinik rum. Und ich stehe hier und darf…durchatmen?”, meinte ich zu einem guten Freund. Er pflichtet mir bei. ,,Meine Gang ist in den letzten Tagen genau in zwei Hälften gesplittet worden. Zwei sind durch Biochemie gefallen und kämpfen sich am Montag durch die mündliche Nachprüfung. Drei sind durch Physio gefallen, wovon zwei noch hoffen, der Schnitt könnte gesenkt werden. Die Chancen stehen schlecht.”
Ein Gespräch mit einer anderen Freundin, die ich zufällig im Park sehe. Für sie war klar, dass es keine Rolle spielt, wie die Physioklausur ausgeht. Schlichtweg, weil es ihr gerade mit allem nicht mehr gut geht. Sie schreibt im Frühjahr.
,,Huhu, wie ist die Lage? Hältst du durch? Sag Bescheid, wenn du jemanden brauchst der mit dir für die mündliche BC-Prüfung übt. Wie viel Hoffnung machst du dir aktuell für Physio?“, schreibe ich einem Kommilitonen.
,,Ich hoffe zu 49 Prozent, dass der Schnitt gesenkt wird.”
Ich halte die Wahrscheinlichkeit für nicht sonderlich hoch, dass er bei letzterem Glück haben könnte. Doch ich wünsche es ihm. Ich weiß, wie sehr er kämpft.
,,Heii du. Ich wollte mich mal erkundigen, wie es dir geht. Schreibst du jetzt tatsächlich im Frühjahr?”, frage ich eine Bekannte, mit der ich mich nach der Physioklausur unterhalten hatte. Sie wirkte emotional genauso wenig bereit für das Physikum, wie ich. Es sollte sich herausstellen, dass sie nicht durch Physio gekommen ist. Hinzu kommt, dass sie in Biochemie in die Nachprüfung muss. Es geht ihr nicht gut damit. ,,Ich hätte vermutlich sowieso im Frühjahr geschrieben. Doch jetzt ist mir die Entscheidung abgenommen worden. Ich hätte gerne die Wahl gehabt. Hätte mich gerne für mich selbst entschieden, auch wenn die Konsequenz dieselbe gewesen wäre.”
Ich bin überrascht. Ich wusste nicht, dass sie Biochemie nicht geschafft hatte. Sie hatte nach der Klausur so viel gefasster als ich gewirkt.
Im Laufe der Gespräche verdeutlichen sich mir drei Dinge :
Erstens: Man weiß nie, was bei den anderen abgeht.
Zweitens: Man ist nie alleine mit dem was man gerade erlebt.
Drittens: Erstes Semster, zweites Semester, drittes Semester, viertes Semester, Physikum, die Eingangs-Pathologie-Vorlesung im fünften Semester – es ist kein so glatter Übergang, wie ich immer dachte. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass so viele schieben. Es ist eine Sache, die man erst realisiert und erst nachempfinden kann, wenn man nach der Physioklausur dasteht. Am Ende des vierten Semesters. Im überhitzten Gewühl des Institutsviertels.
Vor der Klausur ist nach der Klausur ist vor…..
Die Physiologen haben uns mal wieder das Prachtexemplar einer schwierigen Klausur geliefert. Doch jetzt ziehen sie sich warm an. Richten ihre Verteidigungslinien aus. Denn sie wissen sehr gut, was sie nun erwartet. Die Studenten werden bald zum Gegenschlag ausholen.
,,Kleiner Reminder, wenn ihr noch Fragen zur Anfechtung habt, bitte heute an die Semestersprecher weiterleiten. Hier ist die Mailadresse.”
Für mich macht es keinen Unterschied, ob der Schnitt gesenkt wird oder Fragen aus der Wertung genommen werden. Aber ich weiß auch, dass es einige gibt, die auf der Kippe stehen und somit nur ein bis zwei Punkte vom Staatsexamen entfernt sind.
,,Möge die Gleitklausel mit dir sein.”, hatte eine Freundin von mir gesagt. Die Gleitklausel, die bestimmt, dass sie nicht zu viele Studenten durchfallen lassen können.
Naja, viele können sie trotzdem durchfallen lassen. Genau die Hälfte. Sauberer Cut, durch das Semester. Weil sie nicht genug Klinikplätze haben.
,,Du, ich bin nicht wirklich auf die Gleitklausel angewiesen.”, habe ich der Kommilitonin geantwortet.
Ich zittere nicht. Doch ich wünsche natürlich jedem das Beste. Sodass jeder in die Physikumsvorbereitung starten kann, der gerne möchte.
Und während die Semestersprecher ihre Messer schleifen, schreibe ich der Freiburger Prosektur eine Mail.
Ob sie noch Hiwis für den Präparierkurs suchen, habe ich mich gefragt.
Autorin:
Audrey
Coucou, mein Name ist Audrey und ich bin eine aufgeweckte Medizinstudentin aus Freiburg!
Derzeit befinde ich mich ich im vierten Fachsemester Humanmedizin der Albert-Ludwigs-Universität. Ich bin unternehmungslustig, neugierig und nehme mich selbst meistens nicht allzu ernst. Hier schreibe ich ehrlich und ungeschönt über das Medizinstudium, das Studentenleben und so manches anderes.
Mach dir doch einfach dein eigenes Bild. Bis dann!
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