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Modul 4 und Semesterende: Eine Reflektion Teil 2
Bevor ich nun endlich über die Testate spreche, möchte ich gerne noch ein paar Worte über den generellen Stoff des vierten Moduls und meinen persönlichen Bezug dazu verlieren
,,Du willst doch Neurochirurgin werden, das muss doch jetzt voll dein Ding sein.”
Es ist eine Phrase, die ich diese Prüfungsepisode nicht selten zu hören bekommen würde.
Tatsächlich schob ich solche Aussagen jedoch emotional weit weg von mir. Schließlich wollte ich mir nicht noch mehr Druck machen, als ich ohnehin schon tat.
Natürlich war das letzte Modul etwas besonderes für mich.
Neuro ist spannend, das finde ich nach wie vor.
Und es stimmt auch, dass ich bereits ein gewisses Vorwissen besaß.
Über Basalganglien beispielsweise, hatte ich bereits aufgrund meines Interesses an der Parkinson- Forschung recherchiert. Ich führe seit geraumer Zeit ein dickes großes Notizbuch, indem ich alles sammle und notiere, was mich zum Thema Neurologie/-chirurgie/-pädiatrie/-psychologie usw. interessiert und fasziniert. In diesem Buch habe ich Zeitungsartikel, Notizen zu Vorträgen und persönliche Gedanken. Manchmal, wenn ich das Gefühl hatte, es könne mir gerade gut tun, las ich in dem Buch. Ich sollte es diese Prüfungssession immer im Rucksack bei mir tragen.
‘’Frau K. mit Parkinson, hat jetzt Tiefenhirnstimulator. Gestern extreme Gangunsicherheit gehabt, bin mit ihr in meiner Pause den Gang entlang gelaufen. Durch den THS wurde ihr Tremor gut behandelt. Weniger gut behandelbar sind die axialen Symptome des M.Parkinson. Dazu zählen ihre Gangunsicherheit, Haltefunktion (ich musste sie mit meinem ganzen Gewicht stützen, zwischendurch kam der Neurochirurg B. zur Hilfe), Schlucken und Sprechen. Letztere sind bei ihr weniger betroffen. Dafür äußert sich bei ihr vor allem im Umgang wie vielfältig das Krankheitsbild M.P. ist. Beispielsweise durch Sturheit, Impulsivität und Kreativität (sie hat mich, als sie mich im Pausenraum lernen sehen hat, mit Kaffee und ohne Maske, gefragt, ob sie mich denn bitte nach dem Abendessen zeichnen dürfe. Ich war zu verlegen, aber sie zeichne so gerne Portraits, sage sie.Hat dann stattdessen Zimmerpflanze abgemalt.) Die Einstellung ihres THS ist bei ihr zunehmend mit emotionalen Ausbrüchen verbunden. Gestern hat der Neurochirurg B. gegen Anraten des Professors nochmal eine Einstellung vorgenommen. Als ich heute morgen das Neurozentrum betreten habe konnte ich meinen Augen kaum glauben: Am Café stand Frau K. und tänzelte mir entgegen, als ich ihr winkte. Wobei man sich von ihrem Tänzeln nicht zwingend täuschen lassen sollte, mit dem kaschiert sie gelegentlich auch ihre Gangunsicherheit. Allerdings wirkte sie unglaublich viel stabiler. Sie konnte nach dem Frühstück alleine in den dritten Stock der Station R. zurückkehren. Allerdings fände ich es besser, wenn man sich nun ein wenig mit den Interventionen in ihren Behandlungsplan zurückhalten würde, um die Effektivität der Maßnahmen besser einschätzen zu können. Sie bekommt L-Dopa (passiert Blut-Hirn-Schranke, wird zu Dopamin umgewandelt), braucht davon aber weniger, seitdem der THS das Netzwerk ihrer Basalganglien stimuliert. Bei Parkinson ist das Kerngebiet des STN (Nucleus subthalamicus) überaktiv. Durch den THS wird dieses reversibel gehemmt. Faszinierend, wie solch ein Eingriff nahezu problemlos wieder revidiert werden kann.”(Auszug aus dem Neuro-Notizbuch) |
Dennoch wäre ich nie auf die Idee gekommen, mich der Illusion hinzugeben, dieses Vorwissen alleine könne ausreichen, um das vierte Testat zu bestehen.
Es stand eine Haufen Arbeit bevor.
Kritisch, denn um ehrlich zu sein, machte sich im vierten Modul vor allem eines bei mir breit: Müdigkeit.
Gliederschmerzen. Ich strecke mich, ich recke mich. Ich blicke nach rechts. Eine Kommilitonin winkt mir aus der Ferne. Wir tauschen ein müdes Lächeln aus.
Ich blicke nach links. Ein Kommilitone steht auf, um seine Flasche aufzufüllen.
Auch er vollzieht eine Reihe von Bewegungsabläufen, die den meinen gleichen. Der Rücken.
Ich fühle mich, als wäre ich bereit für eine Ganzkörpertransplantation.
Es ist Sonntag. Durch das Fenster der UB kann man die sonnigen Straßen Freiburgs betrachten.
Wie sitzen im vierten Stock. Erschöpfte Gestalten.
Semestermüdigkeit, hat es gestern ein Freund genannt.
Die Tage bis zum letzten Testat des großen Anatomiescheins zerinnen mir zwischen den Fingern.
Das vierte Modul ist besonders theorielastig.
Ein faszinierendes Modul. Ich habe selten so viel Interesse an dem gehabt, was ich lernen muss.
Es ist, als hätte ich seit der neunten Klasse, als ich zum ersten Mal Gehirn und Geist gelesen habe, darauf gewartet, dass ich ein Verständnis dafür erlange, was sich mir nun sukzessive erschließt.
Doch es ist viel. Ich gebe jeden Tag mein Bestes und kann trotzdem nicht beurteilen, ob ich irgendwas von dem behalte, was ich mir anschaue.
Ich weiß nur, dass ich nicht aufgeben darf.
Also stehe ich stur an meinem Stehplatz.
Recken. Strecken.
Einfach weiter machen.
Ich habe neulich ein Gespräch mit einer Kommilitonin geführt, die das zweite Testat wiederholen muss. Sie hat die Befürchtung durchzufallen. Vollends übermüdet – und längst außerhalb jeglicher emotionalen Bewertungsfähigkeit – hat sie mir die Horrorszenarien beschrieben, die sich gerade in ihrem Kopf abspielen.
,,Was ist, wenn ich es nicht schaffe? Wenn ich meinen Studienplatz verliere? Muss ich dann ins Ausland, um zu studieren? Und überhaupt….“
Ich stoppte sie indem ich ihr die Hand auf die Schulter legte.
,,Letzten Endes“, sagte ich, ,,kommt es jetzt darauf an, einfach durchzuhalten. Zähne zusammenbeißen.“
Das vierte Modul sollte für viele von uns zu einer richtigen Charakterprüfung werden.
Autorin:
Audrey
Coucou, mein Name ist Audrey und ich bin eine aufgeweckte Medizinstudentin aus Freiburg!
Derzeit befinde ich mich ich im vierten Fachsemester Humanmedizin der Albert-Ludwigs-Universität. Ich bin unternehmungslustig, neugierig und nehme mich selbst meistens nicht allzu ernst. Hier schreibe ich ehrlich und ungeschönt über das Medizinstudium, das Studentenleben und so manches anderes.
Mach dir doch einfach dein eigenes Bild. Bis dann!
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