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Probleme der nahen und fernen Welt 2: Fairteiler und Foodwaste
Der Umgang mit Patienten erfolgt in Regel vorurteilsfrei und aufgeschlossen.
Doch gelegentlich kommt man nicht umhin zu bemerken, dass gewisse Patienten durchaus einem gewissen Stereotypen zu entsprechen scheinen.
Auf Privatstation habe ich dabei vor allem mit einem Typus zu tun gehabt: Privatpatienten.
Ich kann nicht bestreiten, dass ich gelegentlich durchaus fasziniert davon war, wie sich manche von ihnen auf Station verhalten.
Es ist, als wäre man besonders bemüht, dem Klischee gerecht zu werden, welches einem vorauseilt.
Ich erinnere mich an einen bestimmten Tag in der HNO, der mir nochmal deutlich vor Augen geführt hat: Ein gewisser Hang zu Dramatik scheint mit Sicherheit gegeben.
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Gelegentlich gibt der Wäscheautomat auch mal Arbeitsklamotten aus, die ein wenig verfärbt sind. Ich sage nicht, dass das zwingend Schmutz oder gar unhygienisch ist. Dennoch tausche ich die Klamotten dann gegen, sagen wir, makellosere ein.
Schließlich können Flecken auf dem weiß ungewollt Aufmerksamkeit im Patientenkontakt und allgemein einen schlechten Eindruck erregen.
Der Wäscheautomat befindet sich im Kellergeschoss. Übermotiviert hüpfe ich die Treppen hinauf. Es ist einer dieser Tage ist, an denen einem ein kurzer Treppensprint genau den richtigen Energiekick verschafft.
Ein wenig atemlos erreiche ich die Station und drossele mein Tempo. Vor mir im Gang stehen zwei große AWTs.
Sie sind mit dem Mittagessen der Patienten befüllt. Die FSJLerin räumt gerade Tablets von einem in den anderen Wagen. Das Essen ist bereits ausgeteilt.
Ich schaue nach, wie viele unberührte Mahlzeiten übrig geblieben sind und zähle sieben Stück.
Gerade als ich mich neben die FSJLerin stelle, öffnet sich die Tür eines Zimmers am Ende des Gangs. Weder die FSJlerin noch ich haben mitbekommen, dass jemand das Zimmer verlassen hat.
Aber manche Leute brauchen nicht viel, um auf sich aufmerksam zu machen.
Bufff. Der AWT gibt ein hohles Geräusch von sich, als sich der Patient schwungvoll auf ihn lehnt. Einen Ellenbogen auf dem Wagen abgelegt, den anderen Arm in die Hüfte gestemmt, baut er sich vor uns auf. Die FSJlerin legt das Tablet beiseite, das sie eben noch in der Hand gehalten hat. Ich ziehe eine Augenbraue hoch. Unter meiner Maske muss ich jedoch schmunzeln. ,Was kommt jetzt?’
,,Ihr beide, ja.”, der Patient wackelt bedrohlich mit einem Finger vor uns herum.
,,Ihr beide, ihr wisst was falsch gelaufen ist?”
Er fährt sich mit der Hand durch die Haare. Ich bin tief beeindruckt von dem Auftritt des Herren. Die FSJlerin verneint und bittet darum, aufgeklärt zu werden. Ich wende mich ab, da man meinem Gesicht mit Sicherheit mein Amüsement entnehmen kann.
,,Wie kann es denn bitte sein, dass ich das falsche Essen bekommen habe?”
Der FSJlerin ängstigt es sofort, sie könne ihm das Essen eines anderen Patienten hingestellt haben. Ich begleite die beiden ins Zimmer. Es stellt sich heraus, dass der Patient statt Tortelloni Nudeln bekommen hat. Allerdings ist das Essen auf seinen Namen bestellt.
Ehe ich etwas erwidern kann kommt eine Pflegerin in das Zimmer gesaust. Man hätte schon bei der Küche angerufen, sagt sie. Seine morgendliche Umbestellung sei noch nicht bei ihr angekommen.
,,Nun denn, dann können die Damen ja nichts dafür.”
Er nickt uns versöhnlich zu und gibt uns mit einer Geste zu verstehen, dass er uns nun aus seinem Dienste entlassen erachtet.
Wir verlassen das Zimmer. Es bricht aus mir heraus. Auch die FSJlerin muss ein wenig lachen. ,,Ich glaube, ich habe soeben Konkurrenz bekommen. Jetzt bin ich nicht mehr die größte Dramaqueen der Station. Bei so einem Auftritt -” ich fächere mir theatralisch Luft zu, ,,da kann selbst ich nicht mithalten.” ,,Ach der ist doch harmlos. Da habe ich schon ganz andere Sachen erlebt, du.“, erwidert sie.
An dem Tag habe ich sowohl die Ärzte als auch die Pfleger der Station gefragt, welche Patienten sie im Umgang am schwierigsten finden. Es hat mich wirklich interessiert, da ich weiß, dass die Wahl einer gewissen Fachrichtung auch immer mit einem bestimmten ,,Klientel” einhergeht.
Wer in der Pädiatrie arbeitet, der muss beispielsweise neben sehr jungen Patienten auch gegebenenfalls mit besorgten Eltern rechnen können.
Wer in der Augenklinik arbeitet, der hat nicht selten mit Patienten gehobenen Alters zu tun. (Man gebe mir einen Euro für jedes Mal ,,Diagnose: Altersbedingte Makuladegeneration” und ich tausche die verfärbte Dienstkleidung gegen Kasacks von Prada .)
Eine Pflegerin machte Andeutungen, dass der Umgang mit gewissen Privatpatienten doch auch sehr anstrengend sein kann. ,,Das mit dem Essen, das ist gar nichts dagegen.”
Nun ja. Ich finde andere Patientengruppen schwierig. Aber darauf möchte ich nun nicht näher eingehen.
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Was ich an der Geschichte ein wenig schade finde, ist der Umstand, dass der Patient nun tatsächlich darauf pochte das andere Essen zu bekommen.
Tagtäglich wird wahnsinnig viel Essen weggeworfen. Insbesondere in einem Industrieland wie Deutschland.
Obwohl niemand gerne Essen verschwendet, wird in deutschen Haushalten jedes achte Lebensmittel weggeworfen. So landen in den Mülltonnen der Privathaushalte 6,7 Millionen Tonnen. Pro Person sind das zwei vollgepackte Einkaufswagen mit einem Warenwert von 234 Euro: etwa 82 Kilogramm. |
Insbesondere in Krankenhaus- und Pflegeeinrichtungen. Nicht zuletzt, weil man strengen Hygieneordnungen unterliegt und die Patientenplanung oftmals einer gewissen Flexibilität bedarf.
Es sind unglaubliche Mengen an Obst, Gemüse und Getreideerzeugnissen . Ganze Mahlzeiten werden unberührt zurückgegeben. Manchmal lässt sich Essen umverteilen. Beispielsweise, wenn ein uneingeplanter Patienten-Neuzugang eines benötigt. Oder wenn eine andere Station nachfragt, ob wir womöglich noch ein Essen ,,über” hätten.
In der Summe wird dennoch sehr viel weggeschmissen. Nachhaltigkeit weit gefehlt.
– In Deutschland fallen in Alten- und Pflegeheimen Lebensmittelabfallmengen von etwa 93.000 bis 145.000 t pro Jahr an. In Krankenhäusern sind es durchschnittlich 65.000 t pro Jahr. – Bis zu 40 % der zubereiteten warmen Mahlzeit landen in der Mülltonne. – Insbesondere Gemüse und Stärkebeilagen (die einen festen Platz auf der Speisekarte haben) werden weggeschmissen. |
Was sich dagegen tun lässt: Ansatz im ,,Großen“
Um der Verschwendung in genannten Einrichtungen vorzubeugen wurden ganze Leitfäden entwickelt.
In der Niederlande hat man sich mit dem Projekt „Nachhaltig Gesund“ darum bemüht geeignete Handlungsleitlinien zu entwickeln. Es handelt sich nicht zuletzt um ein Projekt welches durch den Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) kofinanziert wurde.
Gewisse Strategien davon kommen in unserem Universitätsklinikum bereits zum Tragen.
Beispielsweise in Puncto persönlicher Einbindung der Patienten. Wenn Essen übrig bleibt, erkundigt man sich nach dem Grund. Man lässt sie ihren Essensplan mit einer speziell dafür vorgesehenen Fachkraft individuell gestalten und bespricht die Speiseauswahl möglichst verständlich für alle.
Verbesserungswürdig ist hierbei, dass man gezielt variablere Portionsgrößen anbieten sollte z.B. ,,Halbe Portionen“ oder ,,Kleine Portionen“.
Auch in Puncto Präsentation der Mahlzeiten ist man schon sehr gut dabei. Lustigerweise sind es oft die dementen Patienten, die die kreativ bedruckten Servietten- und Besteckhalter sammeln. Aber auch die aufgedruckten Sprüche kommen gut an und sorgen gelegentlich auch für lustige Gespräche zwischen Zimmernachbarn.
Ein weiterer Punkt, welcher durchaus mehr Anwendung finden könnte, ist der, statt Reservemahlzeiten zu bestellen lieber welches (z.B. in Form von Tiefkühlware) in der Stationsküche aufzubewahren. Bei der Wahl der richtigen Tiefkühlkost geht damit weder ein Geschmacks- noch Nährstoffverlust einher.
Erwähnenswert ist auf jeden Fall, dass Bestandteil eines erfolgreichen Agierens auch die Arbeit im Team ist. Meiner Meinung nach muss man keinen besonderen Rang in der Krankenhaushierachie haben, um seine Kollegen für das Thema Nachhaltigkeit zu sensibilisieren, wenn es einem ein Anliegen ist.
Was sich dagegen tun lässt: Ansatz im ,,Kleinen“
Sicherlich gibt es eine Fülle an Möglichkeiten, um als Privathaushalt das Aufkommen von Lebensmittelabfällen zu reduzieren. Ich möchte hier aber gerne noch eine ganz bestimmte Möglichkeit hervorheben. Gerade, weil sie besonders studententauglich ist.
Stichwort dabei ist: ,,Sharing instead of wasting.“
In Freiburg haben wir eine tolle Verteiler-Community, genannt ,,Fairteiler”. Es handelt sich um mehr oder weniger versteckte Orte verstreut in Freiburg zu denen Menschen gewisse Dinge ( hauptsächlich Nahrungsmittel ) bringen.
Wenn man beispielsweise in den Urlaub fährt und Essen vor dem Kaputtgehen bewahren möchte, dann kann man den Fairteilern damit einen Besuch abstatten.
Genauso aber auch aus anderen Gründen. Ein Bekannter von mir hat einen eigenen Garten und auch schon sein angebautes Gemüse dahin gebracht, wenn er denn zu viel davon übrig hatte.
Manchmal bringen auch Bäckereien ihre Sachen zu den Standorten. Schließlich können sie ihre Backwaren am nächsten Tag nicht mehr verkaufen.
Im Prinzip kann jeder dort Sachen abstellen. Wie immer bei solchen Aktionen gilt: man bringt ausschließlich Sachen dahin, die so gut sind, dass man keine Hemmungen hätte, selbst auch davon zu essen. Es können auch Dinge sein, die bereits abgelaufen sind, bei denen jeder selbst für sich entscheiden muss, ob er es noch essen würde.
Im Grunde kann sich dort auch jeder Sachen holen.
Gegenüber der UB ist ein Fahrrad mit monströsem Gepäckträger. In diesem befinden sich häufig Brote und gelegentlich auch Backwaren. Ich habe häufig beobachten können, wie sich Studenten dort in ihrer Lernpause gestärkt haben.
Es ist eine tolle Sache. Eine schöne Art Ressourcen umzuverteilen und somit Verschwendung zu vermeiden.
Es steht in starkem Kontrast zu den gegenwärtigen Praktiken in Krankenhaus und anderen Institutionen.
Aber: Ressourcen-Sparen heißt auch immer Kosten-Sparen! Demnach sehe ich mich optimistisch, dass auch in Zukunft noch daran gearbeitet wird, die Nahrungsmittelverwertung und -beschaffung zu optimieren.
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PS: Für Interessierte: das Portal „Foodsharing“ und die App „To Good To Go„, über die Gastronomische Betriebe überschüssiges Essen günstiger abgeben.